Wo die rohen Eier fliegen

Körperliche Angriffe, weniger Kunden, aber mehr Polizeikontrollen: Corona belastet trans Sexarbeitende in Berlin stark. Ein Ortsbesuch

Erschienen in Der Freitag, Ausgabe 50/2021, Foto oben: Eva Kienholz

An einem Sonntagabend im November sitzt ein Mann vor dem verschlossenen Eingang einer Kunstgalerie an der Kurfürstenstraße und redet mit sich selbst. Neben ihm ein Tetrapak Sangria. Vor ihm steht Caspar Tate von Trans*Sexworks, einem Netzwerk von und für trans Sexarbeitende in Berlin. Wie jeden Sonntag verteilt Caspar auf einem Lastenrad Kondome, medizinische Masken, Feuchttücher und andere Spenden an Sexarbeitende. Und wie jeden Sonntag möchte er dort, wo gerade der Mann vor der Galerie sitzt, mit der Berliner Obdachlosenhilfe Biertische aufbauen, um darauf warmes Essen auszugeben. Der Mann aber möchte bleiben – und fängt an zu brüllen.

Plötzlich schüttet jemand von einem Balkon über der Galerie einen Eimer Wasser auf den schreienden Mann. Und noch mal. Der Mann wiederum zückt ein Kettenschloss, holt aus, schlägt nach Caspar. Dieser weicht aus, rennt weg, der Mann hinterher. Dann schlägt er wieder nach Caspar, trifft ihn am Rucksack. Erst als ein Anwohner von oben „Ruhe“ brüllt, zieht der Randalierer ab.

Schon immer werden Menschen, die ihren Lebensunterhalt mit Straßensexarbeit verdienen, angefeindet, bedroht, diskriminiert. Doch die Pandemie hat ihre Lage verschlimmert. Zwischen Oktober 2020 und September 2021 wurden weltweit 375 trans und genderdiverse Personen getötet – so viele wie noch nie. Mehr als die Hälfte von ihnen waren Sexarbeitende. …