Donald Krah ist noch da

Nach der Europawahl rumort es an der Basis und im ganz rechten Flügel der Partei. Björn Höcke wird das beim Bundesparteitag der „Alternative für Deutschland“ zu nutzen wissen

Erschienen in Der Freitag, Ausgabe 26/2024, Collage oben: Eva Kienholz

Die innerparteiliche Welt der AfD schien noch in Ordnung, als sie im März dieses Jahres in die Festhalle „Harmonie“ in Heilbronn einlud. Neben den beiden Parteichefs Tino Chrupalla und Alice Weidel trat auch Maximilian Krah auf. Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht bekannt, dass der damalige Spitzenkandidat für die Europawahl mutmaßlich einen chinesischen Spion als Mitarbeiter in seinem Brüsseler Büro beschäftigte. Krah wurde auch noch nicht verdächtigt, Zahlungen von einem prorussischen Aktivisten erhalten zu haben. Und er hatte auch noch nicht herausposaunt, dass er die SS nicht als vollständig verbrecherisch betrachtet. Also durfte Krah unter Applaus die Bühne betreten und etwa über den Green Deal und vom „Kraftwerk Heidelberg“ sprechen. Und so erwähnte Krah immer wieder Heidelberg, bis ihn das Publikum aufklärte, dass er sich in Heilbronn befinden würde.

Parteichef Chrupalla nahm das Treffen in der „Harmonie“ zum Anlass, die neue Einigkeit im Bundesvorstand zu loben. Sie habe dafür gesorgt, dass sich die Zustimmung zur AfD in Umfragen verdoppelt habe. Mit Blick auf die bevorstehenden Landtagswahlen in Ostdeutschland sagte Chrupalla: „Wir werden in diesem Jahr die Republik zum Atemstillstand bringen.“ In den Wochen danach stockte allerdings der AfD selbst immer wieder der Atem. Krah produzierte einen Skandal nach dem anderen, die Parteispitze distanzierte sich von ihm, er wurde sogar aus der AfD-Delegation für das europäische Parlament ausgeschlossen. Über die Causa Krah ist in der AfD ein neuer Machtkampf entbrannt. Diesmal streiten sich aber nicht nur Gemäßigtere und Radikale – die Radikalen zerlegen sich nun auch untereinander.

Das Zerwürfnis begann, als die rechte Fraktion „Identität und Demokratie“ im Europaparlament die AfD kurz vor der Wahl ausschloss, nachdem sich Krah gegenüber der italienischen Zeitung La Repubblica relativierend zur SS geäußert hatte. Dabei hatte sich Marine Le Pen vom französischen Rassemblement National von der AfD bereits nach den Enthüllungen über ein konspiratives Treffen in Potsdam distanziert, bei dem vermeintlich Bürgerliche, Rechtsextreme und AfD-Funktionäre über Pläne zur „Remigration“ diskutiert hatten – also über die der Vertreibung großer Bevölkerungsgruppen aus Deutschland. Selbst ein gemeinsames Mittagessen mit der Parteivorsitzenden Alice Weidel in einem italienischen Restaurant in Paris konnte die Wogen nicht glätten.

Bei der Europawahl wurde die AfD bundesweit zweitstärkste Kraft und konnte gerade bei den jungen Wählern punkten – unmittelbar danach kanzelte sie ihren Spitzenkandidaten ab. Es krachte im Rechtsaußenlager. Dort hat Krah viele Unterstützer hinter sich vereint, etwa die Junge Alternative oder den neurechten Chefideologen Götz Kubitschek, der ein Buch von Krah verlegt hat und ein enger Vertrauter von Björn Höcke ist. Dass es krachte, lag zum einen daran, dass der Wahlerfolg auch Krah zugeschrieben wird. Nicht unbedingt, weil er im Wahlkampf seinem Spitznamen „Schampus-Max“ alle Ehre machte, indem er die Belange der kleinen Leute propagierte und gleichzeitig im schicken Jaguar-Cabrio zu einer Veranstaltung vorfuhr. Um junge Menschen an die Urne zu locken, bespielte Krah vor allem Tiktok, wo er mit geschichtsrevisionistischen Tönen zeitweise ein Millionenpublikum erreichte: „Unsere Vorfahren waren keine Verbrecher. Wir haben allen Grund, stolz auf unser Land zu sein und auf die Menschen, die es aufgebaut haben.“

Krahs Social-Media-Mann heißt Erik Ahrens. Bemerkenswert an Ahrens ist, dass er noch bis März 2020 Mitglied der Linken Liste Frankfurt war. Da er sich aber „sprunghaft und innerhalb relativ kurzer Zeit“ Positionen angeeignet hätte, die für „eine antikommunistische und antifeministische Haltung“ sprachen, habe man ihn rausgeworfen, schrieb die Linke Liste in einem Statement auf Facebook. Schon ein Jahr später erschien in Kubitscheks Verlag das Essay Postliberal, dessen Co-Autor Ahrens ist. Heute gibt Ahrens den rechten Chefpropagandisten, verantwortlich für den Tiktok-Erfolg der AfD. Gegenüber dem Spiegel beschrieb er sich so: „Ich bin extrem produktiv, ich bin extrem motiviert, ich bin extrem klug. Und ich bin rechts.“ .

Nachdem Krah aus der neuen Delegation ausgeschlossen worden war, knöpfte sich Ahrens insbesondere den frisch gewählten Delegationsleiter René Aust vor. Dieser hatte als Thüringer Landtagsabgeordneter auf dem dritten Platz der AfD-Kandidatenliste zur Europawahl gestanden und gilt als Verbündeter von Höcke. Auf X schrieb Ahrens, dass Aust „Verrat an Maximilian Krah sowie am gesamten Vorfeld und den Wählern begangen“ hätte. Außerdem sei Aust „schwach, in sein Schönling-Image verliebt und leicht beeinflussbar“, weil er sich dazu habe drängen lassen, Krah in den Rücken zu fallen.

Daraufhin veröffentlichten Höcke und Co-Landeschef Stefan Möller eine Stellungnahme, in der sie sich klar hinter Aust stellten: „Die durch einen Unterstützer von Maximilian Krah initiierte, zutiefst ehrenrührige Kampagne gegen unseren Thüringer Parteifreund und Kollegen René Aust verurteilen wir auf das Schärfste.“ Torben Braga, Thüringer AfD-Vize, griff Ahrens auf X direkt an: „So was unanständiges, niederträchtiges habe ich selten gelesen.“ Ahrens antwortete, dass er nicht mit Linken reden würde, und verwies auf einen Kommentar Bragas, in dem er eine Aussage von Krah als „rassistischen Müll“ bezeichnet hatte. Ahrens, der dem Spiegel erklärt hatte, dass für ihn Rassismus ein „linker Kampfbegriff“ sei, scheint sein früheres Ich sehr erfolgreich verdrängt zu haben.

Natürlich äußerte sich auch Kubitschek zur Causa Krah. Auf seinem Blog Sezession im Netz schrieb er: „Irritierend an Aust ist seine inhaltliche Nähe zu den grundsätzlichen Positionen seines Landeschefs Höcke – und damit zu den Positionen derer, die Krah unterstützen. Was also ritt ihn?“ Auch über die Parteispitze verlor Kubitschek kritische Töne: „Eine Partei, die das Potential eines Donald Krah nicht einbauen kann, hat ein Führungsproblem. Wie führen Chrupalla und Weidel diese Partei?“ Aber nicht nur einzelne Akteure aus dem politischen Vorfeld der AfD sind sauer auf die Parteispitze und den neuen Delegationschef Aust. Auch in der Parteibasis rumort es, viele schlagen sich auf die Seite Krahs.

Eingebracht haben soll den Antrag zur Nichtaufnahme Krahs in die Delegation Hans Neuhoff aus Nordrhein-Westfalen. Auch wenn er schon mal bei Kubitschek in Schnellroda einen Vortrag gehalten hatte, machte sich Neuhoff zuletzt viele Feinde im Rechtsaußen-Lager. Insbesondere, weil er sich in seinem AfD-Landesverband Nordrhein-Westfalen für ein Parteiausschlussverfahren gegen den Hardliner Matthias Helferich eingesetzt haben soll. Dieser hatte sich einst in internen Chats als das „freundliche Gesicht des NS“ bezeichnet, weshalb er als Bundestagsabgeordneter nicht der AfD-Fraktion angehört. In dem Antrag auf Parteiausschluss wurde Helferich vorgeworfen, dass er die Abschiebung von Deutschen mit Migrationshintergrund gefordert und Migranten als „Viecher“ beleidigt habe.

Für manche dürfte der Bundesparteitag der AfD in Essen nun gerade recht kommen, besonders für all jene, denen die parteiinterne Distanzierung von Krah und Helferich gehörig gegen den Strich gegangen ist. Auch die Parteispitze könnte den Unmut der Basis zu spüren bekommen, schließlich steht die Wahl eines neuen Vorstands auf der Tagesordnung. In einer Podcast-Folge des österreichischen Heimatkuriers ließ sich etwa Benedikt Kaiser kürzlich über den aktuellen Vorstand der AfD aus. Kaiser, der nach seiner Neonazi-Zeit lange für Kubitschek als Verlagslektor gearbeitet hat und seit 2023 für den AfD-Abgeordneten Jürgen Pohl als Mitarbeiter tätig ist, sprach im Podcast von einem nötigen „Höcke-Helferich-Weg“. Kaiser ist keine Stimme im Rechtsaußen-Lager, die einfach verpufft. Höcke teilt seine Beiträge gerne im Netz.

Vor Kurzem postete Höcke ein Schwarz-Weiß-Foto auf seinen Social-Media-Kanälen. Es zeigte ihn mit fünf ostdeutschen Landes- und Fraktionschefs an einem Tisch sitzend. Dazu schrieb Höcke: „Ostspitzentreffen“. Gut möglich, dass bei diesem Treffen auch darüber diskutiert wurde, welche Köpfe beim Parteitag rollen sollen.