Erschienen in Der Freitag, Ausgabe 01/2022, Foto oben: Eva Kienholz
Vielleicht sollte der erste Eindruck nicht überbewertet werden. Miami International Airport: unendliche Flure, komplexe Gänge, allerorts Rolltreppen. Als wir endlich ins Freie gelangen, ist es schon dunkel. Wir wollen den Bus nehmen, Fahrscheine müssen vorab erworben werden, der Fahrscheinautomat funktioniert nicht. Der Bus kommt. Wir steigen ein, erklären der Busfahrerin unsere Lage. Sie ist jung, schwarz, gerädert. Ihre Maske hängt sonst wo, mehr Kinnwindel als Mundschutz, ihre künstlichen lila Wimpern ein verzweifelter Hilfeschrei. Genervt winkt sie uns mit ihrem Fuck-my-life-Gesicht durch. Irgendwie haben wir uns Miami lässiger erhofft.
Oft werden alle Staaten der Erde nach politischen oder wirtschaftlichen Kriterien in erste, zweite und dritte Welt eingeteilt. Immer ist die erste Welt dabei die gute, demokratische, reiche. Immer wird sie von den USA angeführt. Wir wollen sie uns anschauen, diese Staaten, wollen sieben Wochen lang ein Land vermessen, das so nah und dann wieder unendlich fern scheint – ein eigener Planet.
Ein Jahr ist es her, dass Donald Trump als Präsident abgewählt worden ist und ein von ihm aufgeheizter Mob das Kapitol in Washington gestürmt hat. Trotzdem zählen viele hier mittlerweile andersherum: Schon in drei Jahren kommt er wieder! Schwer macht es ihm seine Konkurrenz ja nicht. Joe Biden wirkt schwach, seine große sozialpolitische Reformagenda ist zu einem mittelmäßigen Infrastrukturpaket zusammengeschrumpft, die kommenden Midterms könnten sein politisches Ende bedeuten. Was ein innerer Aufbruch werden sollte, gleicht von außen fortwährender Agonie. Vielleicht ändert ein tiefer Blick ins Land hinein ja unsere Sichtweise. …