Erschienen auf freitag.de, 22.01.25, Foto oben: Eva Kienholz
Es ist gerade mal zwei Wochen her, da gab Elon Musk der AfD-Chefin Alice Weidel eine weltweite Bühne, indem er sie mitten im Bundestagswahlkampf zu einem Live-Gespräch auf seinem X-Account einlud. Mit ziemlich holprigem Englisch lenkte Weidel das Gespräch auf Hitler und behauptete, dass dieser nicht „rechts“ gewesen sei, sondern ein „Kommunist“, der sich selbst als „Sozialist“ bezeichnet hätte.
Mit dieser Aussage wollte Weidel darauf hinaus, dass die AfD etwas ganz anderes ist als rechtsextremistisch – und zwar eine „libertäre und konservative Partei“, die die ganze Zeit falsch eingeordnet werde. Weidel hat also Hitler als Kommunisten dargestellt, um sich vom Vorwurf des Rechtsextremismus zu befreien.
Beim Bundesparteitag der AfD, der zwei Tage nach dem Gespräch stattfand, griff die frisch gekürte Kanzlerkandidatin Weidel dieses Thema wieder auf. Während sie beim Gespräch mit Musk sinngemäß gesagt hatte, dass die Nationalsozialisten braun lackierte Linke gewesen seien, bezeichnete sie die gegen den Parteitag Demonstrierenden als „rot lackierte Nazis“. Als Weidel ihre Rede beendete, rief das Publikum „Alice für Deutschland“ – was nicht zufällig sehr stark an die verbotene SA-Losung „Alles für Deutschland“ erinnerte, für deren Nutzung ihr Parteikollege Björn Höcke im vergangenen Jahr zu einer Geldstrafe verurteilt worden war.
Es ist nicht neu, dass Weidel, Höcke und weite Teile der AfD daran arbeiten, die Grenzen des Sagbaren zu verschieben. Auch ihre Umdeutung der Geschichte ist bereits vielfach analysiert worden. Neu ist aber, dass Elon Musk, der reichste Mann der Welt, ihnen dabei hilft. Musk ist nicht nur der Besitzer der Plattform X, sondern auch Unterstützer und Vertrauter von Trump. Nach dessen Amtseinführung trat Musk am Montag vor die jubelnden Trump-Anhänger, hielt seine rechte Hand an sein Herz und streckte sie in einer schnellen Bewegung nach oben aus. Danach reckte er nochmal seine Hand und rief: „Mein Herz fliegt euch zu!“
Viele deuten diese Geste als Hitlergruß, andere hingegen verteidigen Musk. Doch es ist im Grunde genommen ganz egal, ob Musk den Hitlergruß ganz bewusst gezeigt hat, oder ob es nur die „ungeschickte Geste eines autistischen Mannes“ war, wie ein US-Historiker erläutert hat. Alleine das Zeigen dieser Geste führt zu einer Normalisierung des Faschismus, was sich auch in Musks eigener Reaktion auf den Hitlergruß-Vorwurf zeigt: „Ehrlich gesagt, brauchen sie bessere schmutzige Tricks. Der ‚Jeder ist Hitler‘-Angriff ist sooo langweilig.“ Musk also marginalisiert die Gefahr einer solchen Geste, indem er sie ins Lächerliche zieht.
Bezogen auf die AfD blies CDU-Chef Friedrich Merz Anfang vergangenen Jahres ins gleiche Horn: „Die Nazikeule, die bringt uns nicht weiter.“ Allerdings hat eine Toleranz gegenüber der AfD nur dazu geführt, dass rechtsextreme Ansichten wieder salonfähig geworden sind. Wenn Höcke eine SA-Losung öffentlich zum Besten gibt oder Weidel Hitler im Koordinatensystem der Weimarer Zeit neu verortet, könnte Höckes Traum von einer „erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad“ bereits in vielen Köpfen wahr geworden sein.
Dass an ostdeutschen Schulen zuletzt vermehrt Hitlergrüße von Schülern gemeldet werden, ist auch das Resultat des jahrelangen Hinnehmens einer rechtsextremistischen Partei. Wer von angemessenen Nazi-Vergleichen zurückschreckt, bekommt es irgendwann schlicht und ergreifend mit Nazis zu tun.
Darüber hinaus müsste die richtige Schlussfolgerung aus all dem sein, dass Elon Musk hierzulande klar als politischer Gegner behandelt wird, anstatt seiner Tesla-Fabrik in Brandenburg weiter Rosen auf den Weg zu streuen. Auch ein AfD-Verbotsverfahren sollte trotz einer mutmaßlichen Merz-Regierung nicht aus den Augen verloren werden – gerade weil die Bedrohungslage durch die AfD wegen ihrer Unterstützung durch Elon Musk mit all seiner medialen Macht und internationalen Ausstrahlung mittlerweile eine ganz andere geworden ist.