Vulgär war gestern: Die neue AfD-Jugend will radikal bleiben, aber seriös wirken

Die AfD gründet eine neue Jugendorganisation, nachdem sie ihre alte im Frühjahr auflösen musste. Sie soll „Generation Deutschland“ heißen und professioneller auftreten – inhaltliche Mäßigung ist von ihr aber nicht zu erwarten

Erschienen auf freitag.de, 21.11.25

Zwei Wochen bevor sich die AfD-Jugend an ihre Mutterpartei binden lässt, gibt ihr designierter Vorsitzender Jean-Pascal Hohm der Jungen Freiheit ein Interview. Der 28-Jährige ist in der Partei nicht irgendwer. Bereits 2014 wurde er zum ersten Vorsitzenden der Jungen Alternative Brandenburg gewählt, zehn Jahre später zog er als Vorsitzender der AfD Cottbus in den Brandenburger Landtag ein.

In dem Interview spricht sich Hohm nun gegen „Vulgär-Populismus“ und für ein „seriöses, vernünftiges Auftreten“ aus. Hohm trägt dabei ein Hemd unter einem beigen Pullover: Farblich sieht er nach Rentner beim sonntäglichen Kaffeekränzchen aus. Seine Worte wirken bedacht, sein Ton freundlich. Hohm möchte nicht nur Chef, sondern auch Aushängeschild der neuen AfD-Jugend sein.

Am letzten Novemberwochenende will sich die neue Jugendorganisation der AfD gründen, nachdem die alte Parteijugend im Frühjahr zum Ärger vieler ihrer Mitglieder aufgelöst worden ist. Zu groß war die Sorge im AfD-Bundesvorstand vor einem Verbot der Jungen Alternative: Die JA war als selbstständiger Verein organisiert, der sehr viel leichter zu verbieten gewesen wäre als eine politische Partei. Aber es ging dabei nicht nur um Strategie: Zu groß war im Vorstand auch der Missmut über die Außendarstellung der Nachwuchs-Kader.

Seit ihrer Gründung bemühte sich die Junge Alternative stets darum, radikaler aufzutreten als die Mutterpartei. Sie ließ sich ungern reinreden, suchte die Nähe zu stramm rechten Burschenschaften, aus denen sie Nachwuchskader rekrutierte, oder pirschte sich an völkisch-nationalistische Gruppierungen wie die Identitäre Bewegung heran. Als ihre natürliche Kampfzone etablierte die Junge Alternative schon früh die sozialen Medien. 2023 wurde sie vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Einer ihrer Vorsitzenden sagte mal: „Ein Blick in die JA ist ein Blick in die Zukunft der AfD.“

Hohm hatte die Auflösung der Jungen Alternative unterstützt – aber nicht, weil sie ihm inhaltlich zu radikal gewesen wäre. Hohm gilt als wichtiges Bindeglied zum rechtsextremen Parteivorfeld und als geschickt darin, junge Menschen für die AfD zu gewinnen. Diese sucht er gerne als „Kalli“ im Fanblock des FC Energie Cottbus. Als Hohm sich 2017 gemeinsam mit dem damaligen Regionalchef der Identitären Bewegung neben vermummten Hooligans zeigte, verlor er seine Anstellung in der AfD-Fraktion im Landtag. Im selben Jahr teilte er auf Twitter ein Video der Neonazi-Band Hassgesang. In einem ihrer Songs heißt es: „Adolf Hitler, im Kampf für unser Land. Adolf Hitler, sein Werk verteufelt und verkannt. Adolf Hitler, du machtest es uns vor. Adolf Hitler, Sieg Heil tönt es zu dir empor.“

Als designierter Vorsitzender der neuen Jugendorganisation möchte Hohm, der inzwischen in beigen Pullovern Disziplin predigt, den Einfluss der jungen Generation in der Partei ausbauen. Im Interview mit der Jungen Freiheit sagte er vollmundig: „Wir wollen die Amtsträger, die Mandatsträger, auch die hoffentlich künftigen Mitglieder der Regierung herausbilden.“ Davor, kritisiert er, hätte sich die JA in bestimmten Landesverbänden als außerparlamentarische Opposition verstanden. Aktivismus hätte aber im vorpolitischen Raum seinen Platz und nicht als Teil einer Parteijugend-Organisation.

Als voraussichtliche „Generation Deutschland“ – für diesen Namen votiert auch Hohm – ist die neue Jugendorganisation nun offiziell an die AfD angegliedert. Mitglied werden kann nur, wer auch AfD-Mitglied ist. Dennoch hofft ihr bisheriger Schutzpatron Björn Höcke, dass sie nicht von der Mutterpartei „ferngesteuert“ wird. Dabei argumentierte er Anfang August auf X mit den Worten: „Jugend muss durch Jugend geführt werden“, einem Leitspruch der Hitlerjugend.

Für Höcke steht mit der Neugründung der Parteijugend viel auf dem Spiel. Bisher konnte er sich bei seiner angestrebten völkischen Ausrichtung der AfD auf den Nachwuchs als Machtbasis verlassen. Mit der Jungen Alternative hatte Höcke gerade in Ostdeutschland viele Unterstützer. Im letzten Wahlkampf in Brandenburg liefen Fangirls und Fanboys aus der JA mit Shirts und Fischerhüten herum, auf denen „Björn Höcke“ stand. Im gleichen Design verteilte auch Jean-Pascal Hohm kürzlich Jutebeutel – allerdings bedruckt mit seinem eigenen Namen.

Möglicherweise fürchtet Höcke, dass der jüngere Hohm ihm einen Zacken aus seiner Krone bricht. In der Vergangenheit hatten sich Mitglieder der JA auch schon mal als Höcke-Jugend bezeichnet, vielleicht feiern sie sich bald als Hohm-Jugend. So oder so sollte sich an der ideologischen Ausrichtung des AfD-Nachwuchses wenig ändern. Auch der Gegenwind, mit dem sie rechnen muss, dürfte nicht minder heftig ausfallen als früher. Im Gegenteil: Das Bündnis „Widersetzen“ will mit 200 Bussen bundesweit anreisen, um mit Massenblockaden die Gründungsversammlung in Gießen zu verhindern.

Hohm erwartet „einen Kongress, der in der Vergangenheit seinesgleichen sucht“. Viele Akteure aus dem rechtsextremen Vorfeld sind denn auch nach Gießen eingeladen worden – mit Einverständnis des Parteivorstands. Zumindest kann dieser mit der neuen, ans Mutterschiff gebundenen Jugendorganisation die Schuld nicht mehr von sich weisen, wenn wie im Herbst 2024 JA-Mitglieder als Teil einer mutmaßlichen Terrorgruppe festgenommen werden. Mitgehangen, mitgefangen.

Vielleicht wird die Neugründung der Jugendorganisation so auch zum Bumerang – und ein Verbot der AfD realistischer. Das wird davon abhängen, ob es „Kalli“ Hohm gelingt, die vielen braunen Pullover zügig beige zu färben. So chaotisch und radikal, wie der Nachwuchs bislang auftrat, dürfte dies eine Aufgabe werden, die in der Parteigeschichte der AfD ihresgleichen sucht.