Terrorverdächtiger to go

Bei den gefühligen Homestorys, die über ihn erscheinen, führt er teilweise selbst Regie: zum medialen Umgang mit Franco A.

Erschienen in Der Freitag, Ausgabe 22/2021, Foto oben: Eva Kienholz

Zwei Tage bevor sich der Bundeswehroffizier Franco A. vor Gericht verantworten muss, stellt der russische Auslandssender RT ein „Exklusiv-Interview“ mit ihm ins Netz. Es ist sein erstes vor laufender Kamera. „Franco, hallo und vielen Dank, dass du hier bist“, eröffnet die Interviewerin, als spräche sie mit einem alten Kumpel. Anschließend darf sich Franco A. in einem 45-minütigen Gespräch selbst erklären: Er sei falsch verstanden und dargestellt worden. „Ich bin kein Staatsfeind. Eigentlich genau das Gegenteil.“ Für Franco A. die perfekte Bühne, auf der er üben kann, bevor es vor Gericht ernst für ihn wird.

„Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat“ – so lautet der zentrale Vorwurf der Bundesanwaltschaft. Als christlicher syrischer Obstbauer „David Benjamin“ hatte Franco A. Anfang 2016 Asyl beantragt und später subsidiären Schutz erhalten. Unter dieser Identität habe er – so die Anklage – Attentate vorbereiten wollen, auf den damaligen Justizminister Heiko Maas, Claudia Roth oder Anetta Kahane, Gründerin der Amadeu Antonio Stiftung, deren Tiefgarage Franco A. ausgespäht haben soll – entsprechende Fotos wurden auf seinem Handy gefunden. In seinem Keller hatte er Waffen, Munition und eine Ausgabe von Mein Kampf gebunkert. Erwischt wurde Franco A., als er am Flughafen in Wien eine Pistole abholen wollte, die er dort auf einer Toilette deponiert hatte. Seit dem 20. Mai läuft der Prozess vor dem Oberlandesgericht Frankfurt.

Während der Ermittlungen hat Franco A. immer wieder reichweitenstarke Medien gesucht, um seine Version zu vervielfältigen. Mitunter kamen sich Zeitung und Terrorverdächtiger ganz nah: 2019 veröffentlichte die Neue Zürcher Zeitung eine Homestory. Sie ist anspruchsvoll aufgemacht, nähert sich Franco A. durch Gespräche mit Menschen aus seinem Umfeld. Autor Benedict Neff besucht den Oberleutnant in seiner Wohnung in Offenbach, wo dieser mit seiner Freundin lebt. Im Keller sammelte Franco A. Waffen und Vorräte an. Bis in diesen Keller dringt die NZZ nicht vor. Dafür berichtet Neff ausführlich von der „Reinlichkeit“ der Wohnung – daran erkenne man den Soldaten in ihm. Selbst „weiße, flauschige Felle“, die auf den Bänken um den Esstisch liegen, schaffen es in den Text. …